Wegweiser

Was kann ich tun?

Diese Frage stellen sich nicht nur Betroffene. Alle, die mit traumatisierten Menschen in Kontakt kommen, sie betreuen, erziehen oder therapieren, kennen die besonderen Herausforderungen, denen psychisch Verletzte ausgesetzt sind. Eltern, Betreuungspersonen, Lehrerinnen und Lehrer, Verwandte und Freunde stehen regelmäßig vor der Frage, was sie tun können. In unserem westlichen Wertesystem sind wir darauf trainiert, jedes Problem schnell zu  lösen. Das mechanistisch-rationale Menschenbild unserer Zeit übersieht dabei die Komplexität des Menschen als  fühlendem, denkenden und von der sozialen Umwelt abhängigem Wesen. Der Umgang mit Verletzungen dieses Gesamtsystems erfordert in der Regel weit mehr als nur eine einzige Maßnahme, um heilende Wirkung zu entfalten. Es braucht vor allem Geduld und das Wissen, wer welche Unterstützung leisten kann, um Stück für Stück innere Einheit zu fördern. Sie ist der Ausgangspunkt zur Selbstheilung.  

Die Traumaforschung zeigt, dass es vor allem darum geht, zu verstehen, zu schützen und eigene Ressourcen zu fördern.  Grundannahme ist, dass jedes Verhalten neben dem Auslöser immer auch einen tieferen Grund hat, der mit der Biografie verknüpft ist (Annahme des guten Grundes). Beispielsweise kann ein Riss in der Beziehung zur Mutter während der sensiblen Phase der Gehirnentwicklung das Weltbild so stark erschüttern, dass sich das Kind – und später der Jugendliche oder Erwachsene – in einem permanenten Bedrohungszustand befindet. Dieser Zustand ist von außen nicht unmittelbar zu erkennen. Im Gegenteil: Traumatisierte Menschen sind im Alltag häufig hochfunktional. Sie verwenden unbewusst sehr viel Energie, um soziale Anforderungen zu erfüllen. Aber wer sich bedroht fühlt, lernt schlechter, reagiert eher unangemessen und gerät leicht ins soziale Abseits. Noch dazu droht ein erhöhtes Risko für körperliche Erkrankungen. 

Den Ariadnefaden zur Entwirrung des komplizierten Labyrinths durch die Hilfesysteme haben auch wir nicht gefunden. Jeder Fall ist anders. Manchmal genügen  Impulse wie tiergestützte Therapie, ein Schulwechsel oder die Anbindung an sozialpädagogische Hilfe oder eine psychologische Therapie. Manchmal ist es die Kombination aus verschiedenen Maßnahmen. Immer aber brauchen Traumatisierte eines: Menschen, die ihnen Sicherheit geben, rund um die Uhr, was immer auch geschieht. 

Diese Seite erklärt in Form von Fragen und Antworten, welche Therapiemethoden es für frühkindlich traumatisierte Menschen gibt und wie diese einzuordnen sind. Außerdem geben wir Hinweise für Anlaufstellen, die Unterstützung für Betroffene, deren Familien und Bezugspersonen anbieten.

Unten auf der Seite finden Sie Links zu Institutionen, die sich ebenfalls mit dem Thema befassen. 

Für Feedback, Erfahrungen und weitere Tipps nutzen Sie gern unser Kontaktformular oder schreiben Sie eine Mail an info@traumakinder.de

FAQ

Fragen und Antworten zum Thema Therapie für traumatisierte Menschen

Nein. Glücklicherweise verfügt der Mensch über erhebliche Widerstandskräfte, die auch schwerwiegende Traumata überwinden können. Je besser der Zugang zu eigenen Ressourcen gelingt und je besser die Unterstützung durch ein von positiven Beziehungen geprägtes Umfeld diese Ressourcen fördert, desto leichter ist dieser Weg. 

Therapeutische Methoden können dazu beitragen, einen Weg aus gefährlichen oder krankmachenden Mustern bei traumatisierten Menschen zu finden, wenn ein hoher Leidensdruck (auf Seiten der Betroffenen und/oder des Helfersystems) vorliegt und die Probleme längere Zeit anhalten. Therapie kann dann ein wertvoller Baustein sein, um auf lange Sicht Stabilität herzustellen. 

Allerdings muss die Therapie gerade bei komplex traumatisierten Menschen passgenau sein, um nicht zu Retraumatisierungen oder zur Therapiemüdigkeit zu führen.  In Anbetracht einer schwer überschaubaren Landschaft and therapeutischen Methoden, Leistungsträgern und -erbringern ist das für Betroffene eine enorme Herausforderung.  

EMDR bedeutet “Eye Movement Desensitization and Reprocessing”. Das Verfahren zur Behandlung von Traumafolgestörungen wurde von Dr. Francine Shapiro Ende der 1980er Jahre in den USA entwickelt. 

Von außen betrachtet, ähnelt die Methode der pendelnden Augenbewegungen Filmszenen von Hypnosen. Bis heute sind die Wirkmechanismen nicht genau geklärt. Es scheint, dass die abwechselnde Anregung der rechten und linken Gehirnhälfte tiefere Bewusstseinsbereiche zugänglich macht und Symptome lindern kann. Ähnliche Verfahren sind das “Klopfen” auf den linken und rechten Arm oder die Handinnenfläche. 

Bei “klassischer” PTBS (posttraumatischer Belastungsstörung) ist eine gute Wirkung in vielen Studien nachgewiesen. Bei der komplexen PTBS (die etwa durch frühkindliche Ereignisse ausgelöst wird), scheint der Effekt eher gering (Van der Kolk 2021, S. 304). 

EMDR kann z.B. als Zusatzqualifikation für bestimmte Berufsgruppen erworben werden. Eine medizinische oder psychologische Ausbildung ist dafür nicht zwingend notwendig. Da die Therapie von Menschen mit frühkindlichen Traumata eher der Behandlung am offenen Herzen als einem Beinbruch gleicht, sollte bei der Auswahl des Therapeuten bzw. der Therapeutin fachliche Standards geachtet werden. Näheres finden sie z.B. unter EMDRIA.de 

DBT steht für Dialektisch- Behaviorale Therapie. Sie geht zurück auf die US-amerikanische Psychologin Marsha M. Linehan. Die Therapie wurde für suizidgefährtete und von der Borderline-Persönlichkeitsstörung betroffene Menschen entwickelt. Es handelt sich um eine Abwandlung bzw. Weiterentwicklung der kognitiven Verhaltenstherapie, stellt aber die Störung der Affektregulation ins Zentrum der Betrachtung. Näheres finden Sie z.B. beim Dachverband DBT . 

Eine Variante von DBT ist DBT-A (A für Adoleszent). Da die Therapie von den Krankenkassen bezahlt wird, wird sie auch von Kliniken in Deutschland angeboten. 

DBT kann insbesondere bei traumatisierten Kindern (z.B. das START-Programm nach Möhler und Dixius) und und Jugendlichen dazu beitragen, eine bessere Selbststeuerung in (gefühlten) Stresssituationen zu erlernen. Wie bei allen Verfahren, ist es stark davon abhängig, ob die Passung zwischen Therapeutenteam, Pflegepersonal und Patient:in gelingt. 

Die Wirkung des Therapieprozesses kann allerdings nach einiger Zeit wieder nachlassen, insbesondere wenn äußere Umstände eine Stabilisierung erschweren. Es ist daher sinnvoll, frühzeitig eine Anschlussbehandlung, etwa durch ambulante Psychotherapie, zu organisieren. 

Verhaltenstherapie ist ein Sammelbegriff. Historisch basiert Verhaltenstherapie (stark vereinfacht) sie lerntheoretischen Ansätzen. Es geht darum, das Verhalten und seine tieferen Prozesse zu verstehen und durch “Umlernen”  zu verändern. Aus der kognitiven Verhaltenstherapie haben sich weitere Methoden wie DBT, (s.o.) Schematherapie und weitere entwickelt. 

Verhaltenstherapie ist intensiv erforscht worden und die Wirksamkeit ist in vielen Fällen nachgewiesen. 

Da verhaltenstherapeutische Methoden allerdings in hohem Maße mit sprachlichen Mitteln und primär auf kognitiver “Lern”-Ebene arbeitet, scheint die Wirkung für komplex traumatisierte Menschen begrenzt – können diese doch weder ein traumatisches Ereignis szenisch erinnern noch es sprachlich konkret benennen. Aussagekräftige Studien zu diesem Thema stehen noch aus.  

Verhaltenstherapie wird oft als Gegenpol zur tiefenpsychologischen Therapie gesehen. Zielführender ist eine komplementäre Betrachtungsweise, die Tiefenpsychologie und Verhaltenstherapie vereint bzw. methodisch verknüpft, was in neueren Methoden auch zunehmend geschieht.  Das Wirrwarr unterschiedlicher psychologischer “Schulen” ist teils aus historischen, teils aus praktischen Gründen entstanden, da Forschung und Medizin gewisse Normierungen erfordern.  

Links

Hier finden Sie Links zu Organisationen, mit denen wir vernetzt sind oder bei denen Sie weitere Informationen zu bestimmten Fachgebieten finden. 

Bitte beachten Sie, dass die Links nicht regelmäßig überprüft werden und wir keine Haftung für Inhalte übernehmen, die auf den Webseiten hinterlegt sind. Sollten Sie auf Unstimmigkeiten stoßen, bitten wir um umgehende Information. Schreiben Sie bitte an info@traumakinder.de

PFAD Bundesverband für Pflege und Adoption

Der Bundesverband PFAD (PFlege und ADoption) setzt sich seit 1976 für die Rechte und Bedürfnisse von Pflege- und Adoptivfamilien ein. Sie finden dort u.a. eine Beratungshotline für Pflegeeltern. In den Landesverbänden kann man sich auch regional vernetzten. Der Vorstand von Traumakinder e.V. ist PFAD-Mitglied. 

www.pfad-bv.de

DeGPT – Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie

Die DeGPT ist eine wissenschaftliche Fachgesellschaft. Sie finden dort u.a. eine Suchfunktion für Therapeut:innen in ihrer Nähe. Auch wenn die DeGPT das Grundproblem der Mangelversorgung nicht lösen kann, ist die Website eine seriöse Datenbank zur Recherche qualifizierter Therapeut:innen. 

www.degpt.de

Aufarbeitungskommission für sexuellen Missbrauch

Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs bietet ein anonymes, kostenfreies Infotelefon für Opfer von sexuellem Missbrauch. Sie können dort auch persönlich Ihre Geschichte unter professioneller Betreuung zu Protokoll geben, Rat erhalten und zur Forschung und öffentlichen Diskussion beitragen.

www.aufarbeitungskommission.de